Über Unterricht mit Erwachsenen
Die Gruppe der Erwachsenen, die mit dem Musizieren beginnt oder an früher Gelerntes anknüpfen bzw. dieses wieder auffrischen möchte, umfasst eine große Alterspanne. Sie reicht vom jungen Erwachsenen, der noch die Schule besucht, bis zum älteren Menschen, der das Berufsleben schon hinter sich hat und sich nun einen lange gehegten Lebenswunsch erfüllen möchte. So vielfältig die Voraussetzungen für den Beginn des Abenteuers Musikunterricht sind, so unterschiedlich sind die Erwartungen und Wünsche bezüglich des Verlaufes und des angestrebten Ergebnisses. Mancher möchte in gemütlicher Runde mit Freunden Lieder singen und diese begleiten, ein anderer das Gitarrenspiel von Grund auf erlernen und den Dritten fasziniert der Klang der Gitarre.Auf diese Wünsche und Vorstellungen kann im Unterricht eingegangen werden. Zunächst ist jedoch der Anfang für alle der der gleiche, sofern keine Vorkenntnisse vorliegen. Um das Gitarrenspiel gut und richtig zu erlernen, braucht man ähnlich lange wie zum Erlernen einer Sprache. Dieses sollte aber niemanden von seinem Entschluss abbringen, denn wie bei einer Fremdsprache ist auch hier schon das begehen des Weges ein Ziel. Wie man sich schon nach kurzer Zeit in dieser verständlich machen, z.B sich vorstellen und um etwas bitten kann, so ist es auf der Gitarre möglich, schon nach einigen Lektionen eine kleine Melodie zu spielen. Nach etwas längerer Zeit begleitet man einfache Lieder mit wenigen Akkorden und nach ca. einem Jahr übt man die ersten Solo-Stücke, d.h. eine zu spielende Melodie wird gleichzeitig mit wenigen Tönen begleitet. Die dem Schüler zur Verfügung stehenden Möglichkeiten festigen und erweitern sich von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde. Wird regelmäßig geübt, entsteht eine langsame, aber stetige Entwicklung, die den Eindruck des Stillstandes erst gar nicht aufkommen lässt. Hierin liegt die Mitverantwortung gerade auch des erwachsenen Schülers. Denn, bereitet er neue Unterrichtsinhalte zuhause nicht genügend nach und übt diese zu wenig, so bemerkt er womöglich einen Stillstand oder Rückschritt und empfindet schließlich vielleicht sogar Enttäuschung. Es wird klar, dass der eigentliche Lernfortschritt nicht im Unterricht , sondern im häuslichen Training erreicht wird. Der Lehrer zeigt nur den Weg auf, gehen muss ihn der Schüler aber aus eigener Kraft. Er sollte deshalb konsequenterweise eine Lücke im wöchentlichen Zeitplan für die Unterrichtsstunde und einen Raum im täglichen Zeitplan für das Üben schaffen. Einen Raum der Ruhe, der Muße und der Konzentration auf das Instrument und die Musik.
Bitte betrachten Sie das Üben nicht als eine zusätzliche Belastung , die Ihnen noch mehr Zeit des Tages raubt, sondern als eine wertvolle Auszeit vom täglichen Tun, in der Sie sich mit etwas Schönem beschäftigen. Hier konzentrieren Sie sich ganz auf sich selbst und die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten. Dieses Eintauchen in eine andere Welt, dieses Zurückfallen auf sich selbst, diese tätige Entspannung kann zu einem Glücksgefühl und einer inneren Befriedigung führen, die das Üben am Ende zu einem notwendigen Bestandteil des Tages werden lässt. Es wird zu einer Selbstverständlichkeit ähnlich wie bei einem Sportler, für den ein Tag ohne Sport kein guter Tag war.
Dem jungen Erwachsenen fällt das Lernen und Üben von neuen Bewegungsabläufen in der Regel noch leicht. Er hat die Schule vielleicht gerade erst erfolgreich abgeschlossen und steht nun im Studium oder der Berufsausbildung. Lernen wird als etwas Normales und Alltägliches betrachtet. Schwierigkeiten können jedoch dann entstehen, wenn zu viele Freizeitaktivitäten betrieben werden und für die einzelnen Interessen nicht mehr genügend Zeit bleibt. Dann muss eine Entscheidung getroffen und ein Hobby eventuell aufgeben werden.
Bei den Älteren, die schon länger im Berufsleben stehen oder dieses schon hinter sich haben, können andere Probleme in den Vordergrund rücken. Die Ansprüche an sich selbst sind manchmal so hoch, dass sie nur schwer zu erfüllen sind. Viele sind es von der Arbeit her gewohnt, alles schnell zu erledigen. Man meint, schon zu wissen, wie etwas geht, und ist gewohnt, dass man Neues rasch erfasst. Auf einmal geht das Lernen aber langsam voran, macht mehr Mühe und das Erlernte kann nicht immer sofort behalten werden. Manches wird vielleicht nicht gleich verstanden oder vergessen, weil Vorkenntnisse aus dem musikalischen Bereich wahrscheinlich fehlen. Dem älteren Erwachsenen ist oft nicht mehr gegenwärtig, dass das Lernen Mühe macht und Zeit und vor allem Geduld mit sich selbst erfordert. Auch eine berufliche Fortbildung ist nicht zu vergleichen mit dem Erlernen von völlig neuen Inhalten, wie dem Spielen eines Musikinstrumentes. Deswegen eine Bitte: Stellen Sie sich nicht selbst unter Zeit- oder Leistungsdruck. Fordern Sie etwas von sich, aber überfordern Sie sich nicht. Freuen Sie sich auch an kleinen Fortschritten, nehmen Sie diese bewusst wahr und genießen Sie sie. Als Lehrer habe ich diese Geduld mit ihnen, werde Sie auf Ihre Fortschritte aufmerksam machen und mich mit Ihnen über die Momente freuen, in denen ein kleines Wunder geschieht; die schönen Momente, in denen aus vielen Tönen Musik entsteht.