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Das Vermächtnis des Andres Segovia oder von Segovia bis Montes
Als meine Beziehung zur Gitarre vor vierzig Jahren zu einer Liebe wurde, gab es im Wesentlichen drei Propheten, die die Botschaft der Gitarre in die Welt trugen.
Jeder von ihnen gastierte einmal im Jahr in Hamburg, meiner Heimatstadt, im großen Saal der Hamburger Musikhalle, heute Laeiszhalle, und selbstverständlich musste ich bei diesen Sternstunden dabei sein.
Einer dieser Propheten war Narciso Yepes, der einer alten Tradition der Zupfinstrumentenspieler folgte und das Instrument um vier weitere Basssaiten erweiterte, um den Klang durch zusätzliche Resonanztöne zu verstärken und um sich das reiche Repertoire der Laute besser erschließen zu können.
Vor allem aus dem zweiten Grund bin ich ihm gefolgt und spiele bis heute auf einer Gitarre, die sogar um eine elfte Saite erweitert ist, denn für die Lautensuite in G-Moll von J.S. Bach fehlte noch ein tiefes Kontra-G; und auch bei anderen Werken für die Barocklaute kann ich diese zusätzliche Saite sinnvoll einsetzen.
Ein weiterer Botschafter der Gitarre war Julian Bream, der es stets verstand, bedeutende, zeitgenössische, vor allem englische Komponisten für das Instrument zu begeistern und damit zur Bereicherung unseres Repertoires maßgeblich beitrug. Gleichzeitig lag ihm die reichhaltige und qualitativ bedeutende Literatur der englischen Renaissancelaute am Herzen, die bis heute einen wichtigen Teil des Gitarrenrepertoires ausmacht. Er selbst trug diese Werke auch auf einer für ihn speziell konstruierten Laute vor und spielte auch gerne beide Instrumente in einem Konzert.
Der berühmteste und vielleicht bedeutendste Gitarrenvirtuose dieser Zeit, aber etwas älter als die anderen, war Andres Segovia.Wie kein anderer verstand er es, seine eigene Person zu einer genialischen Künstlerpersönlichkeit zu stilisieren, vergleichbar nur mit der des Cellisten Pablo Casals oder den bildenden Künstlern Pablo Picasso und Salvatore Dali, um hier nur einige der großen Namen aus dem Spanien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu nennen. Ihnen fühlte er sich ebenbürtig. Auch wusste er als einer der ersten die Möglichkeiten der Schallplattenaufnahme zu nutzen, um seinen weltweiten Ruhm zu begründen.
Segovia hat wiederholt vor allen drei Ziele formuliert, die er mit seiner Kunst erreichen wollte:
Zunächst war sein Anspruch, als Künstler gleichwertig neben den anderen Meistern der klassischen Musik gesehen zu werden. Er wollte das Gitarrenspiel auf dem gleichen Niveau präsentieren, wie man es vom Klavier und der Violine her kannte.
Für ihn war es selbstverständlich, in den gleichen bedeutenden Konzertsälen zu spielen und in den gleichen Konzertreihen aufzutreten wie diese. Dieses Ziel hat er für sich in vollem Umfang erreicht und ist damit späteren Gitarrenvirtuosen bis heute ein Vorbild geblieben.
Zum anderen hatte er den Wunsch, das Repertoire der Gitarre um Werke zu erweitern, die mit dem des Klaviers zumindest vergleichbar sind. So regte er viele Komponisten, mit denen er Kontakt hatte, an für die Gitarre zu schreiben. Anders als Bream scheute er sich aber vor experimentellen modernen Klängen, was ihm bis heute zum Vorwurf gemacht wird. Immerhin entstanden so die wichtigen Sonaten, Suiten und anderen Werke von Ponce, Castelnuovo-Tedesco, Turina, Torroba und Mompou, deren Kompositionen heute fest im Repertoire der Gitarre verankert sind. Ebenso wäre die Gitarrenmusik von Joaquin Rodrigo ohne Segovia wohl nicht in dieser Menge entstanden.
Man muss also zugestehen, dass er auch dieses zweite Ziel im Wesentlichen erreicht hat.
Der dritte große Bereich, den er durch seine Arbeit und seine beispielhafte Kunstausübung befördern wollte, war die Ausbildung von professionellen Gitarristen und Gitarristinnen gleichwertig neben den traditionellen klassischen Instrumentalisten in den Ausbildungsstätten für professionelle Künstler, also den Staatlichen Konservatorien und Musikhochschulen, zu etablieren.
Er wollte erreichen, dass an diesen Einrichtungen auch Professuren für Gitarrenspiel entstehen und damit das notwendige Niveau für zukünftige Künstlerpersönlichkeiten sowie für die künstlerische Ausbildung in der Breite gesichert wird.
Am 2.6.1987 verstarb Andres Segovia im Alter von 94 Jahren in Madrid.
Im Jahre 2014 wurde Stefan Jenzer nach langer Zeit als Lehrbeauftragter für Gitarre an der „Hochschule für Musik Saar“ zum Professor für Fachdidaktik der Gitarre und Schulpraktisches Gitarrenspiel sowie als Hauptfachlehrer für Gitarre berufen. Außerdem unterrichtet er Kammermusik und übernahm die Leitung des Gitarrenensembles der Hochschule.
Am 25.5.2023 gab Sebastian Montes in Saarbrücken sein Antrittskonzert als erster Professor für Gitarre, dessen Professur ausschließlich dem künstlerischen Gitarrenspiel gewidmet ist.
Manchmal brauchen die Dinge etwas länger, aber damit hat der große alte Meister sein Ziel auch in Saarbrücken letztendlich in vollem Umfang erreicht.
Dem neuen Professor Sebastian Montes gratuliere ich von ganzem Herzen zu seiner neuen Anstellung und wünsche ihm für die Zukunft viel Erfolg in seiner weiteren künstlerischen und pädagogischen Tätigkeit.
Für mich und meine Schüler/innen hoffe ich auf viele Veranstaltung unter seiner Mitwirkung, in der die Gitarre den Stellenwert einnimmt, den sie verdient: die Gitarre, die in einzigartiger Weise größte Vielfalt der musikalischen Ausdrucksformen sowie Klangfarbenreichtum, mit größter Einfachheit in der Konstruktion zu verbinden weiß.
Am Montag, den 26.6.2023 können Sie um 19.00 Uhr die Studierenden von Prof. Stefan Jenzer im Konzertsaal der HfM hören und sich selbst einen Eindruck verschaffen.
Segovia hätte sicher seine Freude daran gehabt und wenn auch Sie Lust haben, in die Welt der Gitarrenmusik einzutauchen, wenden Sie sich gerne an mich.
Mir wäre es eine große Freude, wenn ich Sie auf diesem neuen und spannenden Weg begleiten dürfte.
Musikunterricht und was davon bleibt
Der Landesmusikrat des Saarlandes, in dem ich seit einiger Zeit im Präsidium mitwirke, gibt regelmäßig die "LMR-Nachrichten" heraus, in welcher er zu aktuellen Themen mit Bezug zur Musik Stellung nimmt und über seine Arbeit berichtet.
Für die neueste Ausgabe, welche das Thema "Nachhaltigkeit" im Zusammenhang mit Musik betrachtet, habe ich diesen sehr persönlichen Beitrag geschrieben, der dort auch veröffentlicht werden wird und den ich gerne auch den Besuchern meiner Website zugänglich machen möchte. Wie ich meine, spiegelt er in anschaulicher Weise meine eigene Sichtweise auf den Wert der aktiven Beschäftigung mit Musik und auf die Bedeutung, die diese bis ins hohe Alter haben kann, wenn man sich ihr mit Leidenschaft widmet.
Musikunterricht und was davon bleibt....
Muss wohl schon gut zehn Jahre her sein. Hat sich aber nachhaltig im Gedächtnis verankert.Ungefähr die gleiche Jahreszeit wie jetzt. Die ersten Frühlingsblüher machen sich bereit, um uns mit ihrer Schönheit ins neue Jahr zu führen und um uns zu zeigen, was sie können.
Von Saarbrücken nach Mannheim, umsteigen. Das Herz wird mir weit, als sich die Landschaft, die an mir vorübergleitet, allmählich glattzieht. Vorbei im Eiltempo am Bahnhof Uelzen. Von Friedensreich Hundertwasser gestaltet. Das ist doch schon mal was. In Hamburg-Harburg aussteigen. Erste Station in der großen Schönen im Norden.
An ihrem 90.Geburtstag konnte ich Mutti leider nicht besuchen, denn ich hatte im September keine Ferien und sie ist an diesem Tag auf den Brocken gewandert. Mit „Natur und Medizin“, von Veronica Carstens gegründet. Die bieten jedes Jahr eine Herbstwanderung an. Da musste sie natürlich mit. Deswegen holen wir den Besuch jetzt nach.
Als ich endlich vor ihrer Tür stehe, kurze Begrüßung. „Nun trink mal noch schnell was und dann aber los, die warten nicht auf uns“. Also, noch ein Stück Brot in die Hand, die Fahrt war ja doch lange, und ab zum Bus. Sechs Stationen, dann die letzten paar hundert Meter zu Fuß zur Volkshochschule. „Singkreis für Senioren“. Da muss sie hin, denn „singen ist ja gut für alles“. „Du bist doch vom Fach, da interessiert dich das doch bestimmt. Kannst ja auch mitsingen, wenn du Lust hast“.
Wir kommen als letzte, aber es hat noch nicht angefangen. Die Kuchen für später blinzeln aus ihren Hauben. Die Kursleiterin hat das Akkordeon schon ausgepackt und haucht ihm Luft ein. Klingt noch ein wenig gequetscht, aber wird schon. Drei,vier vor und das Begrüßungslied erklingt. Alle haben dicke Ordner mit den Noten und Texten auf dem Schoß. Sorgfältig einsortiert, aber niemand muss hineinsehen. Nun darf sich jeder und jede, wenn gewünscht, ein Lied daraus aussuchen. Eins, zwei, drei „Ick heff mol in Hamborch 'n Veermaster sehn.....“ Eine Weise nach der anderen purzelt aus dem Akkordeon und die Stimmung wird mit jedem Lied gelöster und die Stimmen immer besser.
Ich sitze gegenüber von Heini und Fred. Heini ist schon 95 und kann, flüstert Mutti mir zu, ab dem nächsten Semester leider nicht mehr mitmachen, denn seiner Frau geht es im Moment nicht so gut. Da muss er ihr ein bisschen mehr helfen und kann dann nicht mehr zu den Proben kommen. Fred wird aber weitermachen, ist ja auch erst neunzig.
Beide spielen Mandoline. Spielen alle Melodien einfach mit. Noten überflüssig. Man kennt sich aus vielen gemeinsamen Jahren im Zupforchester.
Helga ist heute etwas erkältet. „Jungs, das Lied für Helga spielen wir heute mal einen Ton tiefer“, sagt die Kursleiterin an und los geht's. Kein Problem für die beiden. Einfach zwei Bünde nach vorne rücken mit dem Fingersatz und schon sind wir in B-Dur, statt in C-Dur. Nur keine leeren Saiten benutzen, die bringen alles durcheinander. Auch beim Tonartwechsel im Refrain muss ich mir keine Sorgen machen. Den vierten Ton der Tonleiter einen Halbton erhöhen und schon besuchen wir die Dominante. Ausflug geglückt. Für Heini und Fred reine Routine.
Gelernt haben beide das vor Jahrzehnten bei einem Lehrer, der selbst im Zupforchester mitgespielt hat. Notenlesen mussten sie lernen und Tonleitern spielen. Rhythmus und Takt gehörten natürlich auch dazu. Auf der vollen Zählzeit Plektrum nach unten und zwischen den Zählzeiten Plektrum nach oben. Sobald sie die Grundlagen „drauf“ hatten, durften auch sie mitspielen. Der Rest war „learning by doing“und manchmal eine Weiterbildung bei einem „Meister“. Da konnte man schon beim Zugucken viel lernen.
Soviel zum Thema Nachhaltigkeit im Musikunterricht. Wo dieser auf fruchtbaren Boden fällt, kann er für ein erfülltes Leben mit vielen glücklichen Momenten und Anerkennung sorgen. Für die „jungen Deerns“ im Singkreis, vielleicht mal gerade ein bisschen über siebzig, waren die beiden auf jeden Fall zwei „coole Typen“, wie meine Tochter sagen würde. Die möchte übrigens demnächst wieder bei mir Gitarrenunterricht haben. Das finde ich super, denn damit sorgt sie auf jeden Fall schon mal fürs Alter vor.
Zwei Kurse und drei Konzerte
Zwei Kurse und drei Konzerte
Auch im Mai diesen Jahres, wir freuen uns auf milde Lüftchen und Blütenzauber, versuchen einige Menschen, die Welt mit Gitarrenmusik noch zusätzlich zu verschönern. Bemerkenswert ist hierbei, dass sich daran auch Kinder und Jugendliche beteiligen.
Ein interessantes Kursangebot gibt es nach Ostern vom 8. -11. April, also in den Ferien, wie schon in den Vorjahren in Lebach bzw Tholey. Die Gitarrentage für Kinder und Jugendliche haben mittlerweile Tradition im Saarland und sind ein Angebot für junge Gitarrenspieler, welches ich in vergleichbarer Art noch nirgendwo anders gefunden habe. Hier steht nicht die Arbeit an mitgebrachten und schon vorbereiteten solistischen Vortragsstücken im Mittelpunkt der Veranstaltung, sondern es geht um das Feilen am Zusammenspiel in einer großen Gruppe. Die Konzertstücke wurden alle extra für den Kurs komponiert und den Teilnehmern bereits in der Weihnachtszeit zugeschickt. Jeder hat seine Stimmen zu Hause schon geübt und mit seinem Lehrer vorbereitet. Bei den vier, mit vielen Proben angefüllten Kurstagen, geht es jetzt darum, aus vielen Stimmen einen gemeinsamen Klang werden zu lassen. Kinder und Jugendliche, die daran interessiert sind, im nächsten Jahr bei dem Kurs mitzumachen, können sich im Internet über alle zusätzlichen Angebote die gemacht werden, informieren. Sie sollten unbedingt das diesjährige Abschlusskonzert in der Stadthalle Lebach am Samstag, den 11. April um 17.00 Uhr hören, um schon ein wenig hineinzuschnuppern und die beiden Dozenten sowie die beiden Betreuer kennen zu lernen. Außerdem kann man dann sehen, wer sonst noch so mitmacht (z. T. kommen die Jugendlichen sogar aus Südamerika) und ob einem die gespielte Musik überhaupt gefällt.
Wenn man alles super findet, gibt es nur eines: selber anfangen noch mehr und besser zu üben, um sich fit zu machen und vor dem nächsten Anmeldeschluss die eigene Anmeldung losschicken, damit man dann bei den nächsten Gitarrentagen im Jahr 2016 auch mitmachen kann. Mein Sohn hat insgesamt fünf Mal teilgenommen und war jedes Mal begeistert. Ich bin als Lehrer gerne bereit meine Schüler auf dieses besondere Ereignis vorzubereiten.
Hinweisen möchte ich auch auf das Solistenkonzert, welches immer Bestandteil der Gitarrentage ist: Am Donnerstag, den 9.4. um 19.00 Uhr spielt Henrique Almeida im Saal des Rathauses Tholey ein Konzert, welches man sich nicht entgehen lassen sollte.
Am Sonntag, den 3. Mai um 17.00 Uhr kann man den herausragenden deutschen Gitarristen Thomas Etschmann im Theater im Viertel (TIV) hören. Etschmann ist hier nicht so sehr wegen seiner beeindruckenden Virtuosität zu nennen, über die andere Gitarristen in gleicher Weise verfügen, sondern weil das Element der Improvisation in seinen Konzerten einen wichtigen Raum einnimmt. Dieses ist bei Veranstaltungen mit klassischer Gitarre eher unüblich. Wir dürfen gespannt sein, wie er beide Arten des Musizierens miteinander verbindet.
Dankenswerter Weise hat er sich bereit erklärt, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tonkünstlerverband und der Saarbrücker Musikschule in deren Räumen einen Kurs abzuhalten. Dieser beginnt am 2. Mai um 9.30 Uhr und dauert, inklusive einer Mittagspause, in der ein Imbiss gereicht wird, bis 16.00 Uhr. Es handelt sich hier bewusst nicht um einen Meisterkurs, sondern um ein Angebot für Kinder und Jugendliche; auch dann , wenn sie sich noch mit einfacheren Vortragsstücken beschäftigen. Die Stücke sollten trotzdem schon gut geübt sein, aber es darf auch noch Luft nach oben geben. Herr Etschmann wird versuchen, durch zielgerichtete Tipps und Übehinweise den Schüler dahin zu bringen, dass dieser seinen Vortrag auf ein besseres Niveau bringen kann. D. h. hier wird an den mitgebrachten und schon eingeübten Stücken gefeilt und poliert, bis sie „glänzen“ Es ist sicher wohltuend und hilfreich, Ratschläge und Erläuterungen auch mal von einem anderen als dem eigenen Lehrer zu erhalten und so vielleicht die eigenen Fertigkeiten und das eingeübte Vortragsstück in einem ganz anderen Licht zu betrachten. Ein bisschen Mut gehört bei den Kursteilnehmern allerdings auch mit dazu, denn der Unterricht findet im Forum statt, d. h. die Teilnehmer hören sich auch gegenseitig zu. Ideal ist dieses Angebot für all diejenigen, die sich für Wettbewerbe, Vorspiele oder Aufnahmeprüfungen vorbereiten.
Die Anmelde-Unterlagen und genauere Informationen kann man bei mir, bei allen Gitarrenlehrern der Saarbrücker Musikschule und bei Frank Brückner (0681/9362727) bekommen.
Ich wünsche viel Freude beim Besuch der vorgestellten Veranstaltungen!
Koblenzer Gitarrenfestival: Impressionen und Vorausschau
Ein außergewöhnliches und herausragendes Ereignis für jeden Freund der klassischen Gitarre ist das jährlich stattfindende Internationale Gitarrenfestival in Koblenz, ganz in unserer Nähe.
Vor einigen Jahren war ich schon einmal Gast dieses Festivals und war damals sehr beeindruckt von der Vielzahl von international bekannten und bedeutenden Gitarristinnen und Gitarristen, die zu Gast waren. Am Folgetag hielten diese Meisterklassen für junge Künstlerinnen und Künstler, Musikstudierende, die sich auf Prüfungen und Wettbewerbe vorbereiten, sowie für alle, die auf hohem Niveau das Gitarrenspiel beherrschen und trotzdem das Bedürfnis verspüren, sich weiter zu bilden und Rat einzuholen.
Im letzten Jahr war der Termin für das Festival wegen der Corona- Pandemie von der Woche vor Pfingsten in die Herbstferien verlegt worden, sodass ich nach langer Zeit ein weiteres Mal teilnehmen konnte, da ich selbst in den Schulferien keinen Unterricht gebe.
Es waren fünf Übernachtungen in der Jugendherberge Festung Ehrenbreitstein oberhalb des Deutschen Eck, am Zusammenfluss von Saar und Mosel gebucht und so konnte ich fünf Tage mit Gitarrenmusik verbringen und am Abend, nach den Konzerten, mit meiner Frau an der Seite und einem Glas Wein in der Hand von der Festungsmauer über das erleuchtete Koblenz blicken. Eindrücke, an die ich sehr gerne zurückdenke.
Nachdem ich am Vormittag selbst schon geübt hatte, begab ich mich in die städtische Musikschule, um den Meisterklassen beizuwohnen, einer sehr guten Möglichkeit, die Künstler auch abseits des Podiums kennenzulernen und ihnen beim Unterrichten zuzusehen und zuzuhören. Da das Unterrichten des Gitarrenspiels mein Beruf ist, war dies für mich natürlich besonders interessant.
Am Abend gingen wir gemeinsam in die Konzerte, welche in einem kleinen Saal der Rhein-Mosel-Halle stattfanden. Das erste Rezital wurde von David Russel bestritten, einem in Fachkreisen seit Langem bekannten und international etablierten Virtuosen. Russels Programm bestand im Wesentlichen aus seinen eigenen Transkriptionen von barocken Meisterwerken, von Bach und Scarlatti, aber auch von dem im Gitarrenrepertoire sonst eher nicht vertretenden Johann Kuhnau. Einzig eine Sonatina von Jorge Morel war ein originales Werk für Gitarre.
Russel führte mit Erläuterungen zu den Stücken und Anekdoten aus seinem Künstlerleben durch das Programm, was manchem Zuhörer wahrscheinlich sehr gefallen hat. Ich persönlich mag es mehr, wenn ich Informationen über die Werke aus einem Programmheft entnehmen kann und das Konzert sich ausschließlich auf die Darbietung der Kunst beschränkt. So hinterließ sein Beitrag zum Festival bei mir einen gespaltenen Eindruck. Sein Vortrag war beeindruckend und ohne Makel, die Auswahl der vorgetragenen Stücke und die Form des Konzertes konnten mich aber nicht vollständig überzeugen.
Das genaue Gegenteil, die letztgenannten Aspekte betreffend, war für mich der Auftritt von Petrit Ceku am folgenden Tag. Ceku präsentierte zwei groß dimensionierte Werke unseres Repertoires mit einer kleinen, mir bis dahin unbekannten Serenade von Sofia Gubaidulina als Mittelteil des Programms.
Eines der großen, mehrsätzigen Werke war die Sonata Romantica von Manuel Maria Ponce, ein sehr bekanntes und viel gespieltes Stück, welches dem Spieler ein hohes Maß an Fertigkeit und Durchhaltevermögen abverlangt. Ceku meisterte diese Aufgabe mit Bravour und war im Stande, den ganzen kompositorischen Reichtum des Werkes an den Hörer zu vermitteln. Eine großartige Leistung!
Bei dem Vortrag der Grande Sonate op. 25 von Fernando Sor hat er sich darin dann allerdings noch selbst übertroffen. Sor war für mich bis dahin eher der Meister der kleinen Form und die große Form der Sonate schien er mir nicht wirklich überzeugend ausfüllen zu können.Seit diesem Abend muss ich mein Urteil in diesem Punkte allerdings revidieren. Der ganze Reichtum von Sors Komposition wurde mir mit dem Vortrag von Petrit plötzlich deutlich und beschämt musste ich feststellen, dass der von mir empfundene Mangel eher auf die Beschränktheit meines eigenen Spielvermögens als auf die Beschränktheit der Komposition oder des Komponisten zurückzuführen war: eine für einen „alten Hasen“ sehr heilsame Lehre. Und so gelobe ich Besserung, wenn ich mich nach langer Zeit ein weiteres Mal mit dem Stück befassen sollte. Ich werde mehr studieren, mehr nachdenken und besser üben, denn Sor und seine Sonate haben diese Mühe verdient.
Auch Marcin Dylla, dessen Konzert wir am dritten Tag besuchten, gehört wie Petrit Ceku zur Generation der jungen Virtuosen, die mich mit ihrer unglaublichen Virtuosität immer wieder in Erstaunen versetzt und beeindruckt. Dylla hatte sich allerdings mit der e-Moll Suite BWV 996 und den Collectici intim von Vincente Asencio Ziele gesetzt, die er nicht immer erreichen konnte.
War er durchaus in der Lage, die mit spanischen Manierismen gespickten Stücke von Asencio, dem Lehrer von Narciso Yepes, durchaus überzeugend darzubieten, so gelang ihm dieses bei Bach nicht mit der gleichen Perfektion. Seine selbst gewählten schnellen Tempi führten dazu, dass er doch an manchen Stellen „verunglückte“ und ihm sein Gedächtnis kleine Streiche spielte. Am Ende waren hier wahrscheinlich mangelnde Konzentration und zu viel Anspannung, die man ihm während seines Vortrags anmerken konnte, der Grund für diese gelegentlichen Ausrutscher. Es ist vielleicht auch waghalsig und nicht klug, ein so gewaltiges Werk wie die Bachsuite an den Anfang eines Konzertes zu stellen.
Nach einem außerordentlichem Konzert mit einem außerordentlichen Spieler am Mittwoch, mit ausschließlich zeitgenössischer, meist polnischer Musik - Lukasz Kuropaczewski spielte sage und schreibe drei Uraufführungen von zeitgenössischen Komponisten an einem Abend sowie die „Aria e Cadenca“ von Penderecki und „Tryptych“ von Krzysztof Meyer - folgte der Höhepunkt an unserem letzten Abend mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie und den beiden Solisten Aniello Desiderio und Zoran Dukic, welcher dieses Mal im großen Saal der Rhein-Mosel-Halle stattfand.
Eingerahmt wurde das Konzert von zwei reinen Orchesterstücken, die passend zu den beiden am Abend aufgeführten Gitarrenkonzerten von Joaquin Rodrigo ebenfalls spanische Themen aufgriffen.
Den Gitarrenpart in der für Andres Segovia geschriebenen „Fantasia para un gentilhombre“ übernahm Zoran Dukic souverän und überzeugend.
Das relativ oft aufgeführte, aber immer wieder berührende und begeisternde „Concierto Aranjuez“ durfte Aniello Desiderio interpretieren, welcher sich mittlerweile von einem aufstrebenden jungen Gitarrenvirtuosen zu einem im besten Sinne „Altmeister“ des künstlerischen Gitarrenspiels entwickelt hat, welcher technische Perfektion mit überragender musikalischer Gestaltungskraft scheinbar mühelos verbinden kann. Ein Künstler der Extraklasse.
Wenn Sie sich nun fragen warum ich Ihnen so ausführlich über diese Konzerterlebnisse berichte, die doch immerhin schon einige Zeit zurückliegen, so liegt es daran, dass ich Ihr Interesse wecken und Sie neugierig machen wollte, die diesjährige Ausgabe des Festivals zu besuchen.
In der Woche vor Pfingsten haben Sie selbst die Gelegenheit, in die Welt der klassischen Gitarre einzutauchen, exquisite Konzerte zu erleben, den Künstlerinnen und Künstlern, wenn Sie mögen, beim Unterrichten zuzuschauen oder den gleichzeitig stattfindenden internationalen Gitarrenwettbewerb zu verfolgen. Sie können auch die Instrumente der Gitarrenbauer bestaunen, welche dort ihre Arbeiten am Rande der Veranstaltungen präsentieren. Wenn Sie selbst aktiv Gitarre spielen, möchten Sie vielleicht sogar eines dieser Instrumente für sich erwerben.
Wenn dann noch der Wunsch aufkommen sollte, dass Sie Ihr Gitarrenspiel weiterentwickeln möchten oder vielleicht auch erst in die Grundlagen eingeweiht werden wollen, so stehe ich Ihnen gerne als Lehrer zur Verfügung.
Das Gitarrenspiel anderer zu betrachten, kann aufregend sein und begeistern, selbst zu spielen ist ein Abenteuer.
